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joenoname.com : von neumann's play-off : wahlexperiment

Von Neumann's Play Off
Zur Seetauglichkeit von Wahlen, Spielen und Theorien im Wellenschlag selbstverwalteter Fördertöpfe

Die Aufgabenstellung

Im folgenden soll ein Problem kollektiver Entscheidungsfindung betrachtet werden, wobei insbesondere der Frage nachgegangen wird, ob die beteiligten WählerInnen ihre Präferenzen über die zur Wahl stehenden Alternativen bei einem gegebenen Wahlmechanismus ohne strategische überlegungen wahrheitsgetreu offenbaren, oder ob sie bei der Abstimmung strategisch vorgehen, um das Ergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Die Unmöglichkeitstheoremen von Arrow und Gibbard-Satterthwaite besagen, daß Regeln zur kollektiven Entscheidungsfindung, also Wahlmechanismen oder Wahlsysteme, immer 'gewisse Schwächen' haben und notwendigerweise an der Erfüllung verschiedener intuitiv sinnvoller Bedingungen scheitern. Mit anderen Worten, es gibt kein perfektes Wahlsystem. Bei der Entscheidung für oder gegen ein Wahlsystem ist daher zu berücksichtigen, welche Eigenschaften man aufzugeben bereit ist, um andere (vielleicht wichtigere) Eigenschaften des Wahlmechanismus zu sichern.

Strategische Manipulierbarkeit ist eine mögliche Schwäche von Wahlsystemen. Um herauszufinden, ob diese einen Einfluss auf das tatsächliche Verhalten von WählerInnen hat, wurde ein Experiment durchgeführt. Wenn reale EntscheiderInnen tatsächlich in der Lage sind, sich die Eigenschaft der strategischen Manipulierbarkeit eines Wahlmechanismus zu Nutze zu machen, sollte dieser Tatsache bei der Anwendung des Mechanismus Rechnung getragen werden.

Das Modell

Es soll eine Alternative aus {A,B,C} durch eine Abstimmung, in der mehrere Personen stimmberechtigt sind, ausgewählt werden. Es wird angenommen, daß es nur zwei Typen von WählerInnen gibt: Für i=1,..,m sei die Präferenzordnung A,B,C gegeben. Für j=1,..,n sei die Präferenzordnung B,C,A gegeben. Wir nehmen an, die Spieler versuchen in der Entscheidungsfindung ihren persönlichen Nutzen zu maximieren und wollen daher lieber eine für sie bessere als eine für sie schlechtere Alternative implementiert sehen.

Zur Entscheidungsfindung muß jedes einzelne Mitglied beider Gruppen (m+n) jeder der 3 zur Auswahl stehenden Alternativen (A,B,C) jeweils 2, 1 oder 0 Punkte zuweisen. Für jede der Alternativen werden die Punktezuweisungen aller WählerInnen aufsummiert und die Alternative, auf welche die meisten Punkte entfallen, wird implementiert. Sollten zwei oder drei Alternativen jeweils gleich viele Punkte zugewiesen worden sein, entscheidet zwischen ihnen das Los. Dieses Verfahren wird nach seinem Entwickler Borda Regel genannt. Es wird angenommen, daß alle WählerInnen die Spielregeln, sowie die Präferenzen der anderen kennen.

Was kann das Resultat einer solchen Abstimmung sein? Zur Veranschaulichung beschränken wir uns auf fünf WählerInnen, wobei m=3 (die m-Typen) die Präferenzordnung ABC haben, und n=2 (die n-Typen) die Präferenzordnung BCA. Wenn nun alle WählerInnen den Alternativen die Punkte nach ihrer wahren Präferenzordnung zuweisen, gewinnt die Alternative B mit 7 Punkten.

Wenn aber auch nur eine der Testpersonen des m-Typs statt ihrer wahren Reihung ABC die Reihung ACB angibt, kommt es zu einer Lotterie zwischen A und B, was für alle WählerInnen vom m-Typ zu einem besseren Ergebnis führen kann.

Wenn sich auch noch eine zweite Testperson des m-Typs so verhält, gewinnt Alternative A mit Sicherheit. Das heisst, die Abstimmung gemäß der wahren Präferenzen ist kein Nash-Gleichgewicht. Denn ein strategisches Abweichen bringt eine Verbesserung. Die Frage ist, ob reale Spieler das auch tun, d.h. ob man solch strategisches Verhalten auch beobachten kann.

Dieses Spiel hat kein Nash Gleichgewicht in reinen Strategien. Berücksichtigt man, daß die WählerInnen jedes der beiden Typen völlig gleiche Interessen haben so ist es offensichtlich, daß koordiniertes Verhalten der Individuen eines Typs diese sicher nicht schlechter möglicherweise aber besser stellt. Wenn man nur symmetrisches Verhalten berücksichtigt, in dem Spieler desselben Typs sich gleich verhalten, gibt es kein Nash Gleichgewicht in reinen Strategien, also auch keines, in dem einfaches Abstimmen gemäß der wahren Präferenzen zum optimalen Verhalten führt. Das Abstimmungspiel bietet den Teilnehmern also jede Menge Möglichkeiten, sich strategisch zu verhalten, was im folgenden Experiment beobachtet werden soll.

Das Experiment

5 Teilnehmer wurden jeweils in eine Gruppe zusammengefasst, drei davon (die m-Typen) erhielten eine

Auszahlung von 10 Euro, wenn A implementiert wird
Auszahlung von 7 Euro, wenn B implementiert wird
Auszahlung von 3 Euro, wenn C implementiert wird

während zwei (die n-Typen) eine

Auszahlung von 3 Euro, wenn A implementiert wird
Auszahlung von 10 Euro, wenn B implementiert wird
Auszahlung von 7 Euro, wenn C implementiert wird

erhielten.

Dadurch sollte die oben beschriebene Präferenzordnung der zwei Typen m und n induziert werden. Die Abstimmung erfolgte nach den oben bestimmten Regeln und wurde in jeder Gruppe fünf Mal wiederholt. Die Gruppen blieben dabei unverändert.

Den Gruppenmitgliedern eines jeden der beiden Typen war es möglich, miteinander über eine Chatfunktion zu kommunizieren. M-Typen konnten also mit M-Typen und N-Typen mit N-Typen innerhalb ihrer Gruppe kommunizieren.

Nach Abschluß des Experiments wurde für jede der insgesamt 4 Gruppen (20 Teilnehmer insgesamt) eines der fünf Abstimmungsergebnisse zur Bestimmung der Auszahlung zufällig gezogen. Zusätzlich erhielten alle Teilnehmer 5 Euro Antrittsvergütung. Das Experiment wurde mit der Ztree Software (Fischbacher 1999) durchgeführt.

Die Ergebnisse

Implementierte Alternativen bei 20 Entscheidungen:


Implementiert

Erstgereiht

Zweitgereiht

Drittgereiht

Punktegleich Erstgereiht
(A und B)

Punktegleich Zweitgereiht
(B und C)

A 16

15

1

0

4

-

B 4

1

10

5

4

1

C 0

0

5

14

-

1

Reihung gemäß der wahren Präferenzen (unter der Annahme, daß die Präferenzen der Spieler durch maximieren des materiellen Eigennutzes determiniert sind):

m-Typen (3 m-Typen*4 Gruppen*5 Wiederholungen = 60 Beobachtungen) :

31 von 60 mal

n-Typen: (2 n-Typen*4 Gruppen*5 Wiederholungen = 40 Beobachtungen)

22 von 40 mal

Mehr als die Hälfte der Reihungen wurde nach den wahren Präferenzen abgegeben, dennoch setzt sich nur in 1/5 der Fälle B durch.

Strategisches Abstimmen:

m-Typen:

28 von 60 mal mit der Reihung A,C,B

Strategisches Kalkül: gegeben die n-Typen stimmen wahrheitsgetreu ab, erreichen die m-Typen durch Rückreihung von B hinter C, daß A implementiert wird.

Perioden, in denen A gewann:

in 8 von 16 Fällen setzten sich die m-Typen durch eindeutiges, koordiniert strategisches Verhalten mit Rückreihung von B hinter C durch (zwei der drei m-Typen spielen A,C,B). Die n(?)-Typen konnten sich nicht auf die optimale Antwort koordinieren.

in 7 von 16 Fällen verhielten sich die m-Typen nicht koordiniert strategisch (keiner oder nur einer von ihnen spielte A,C,B), allerdings wurd durch nicht optimales Verhalten der n-Typen (B wird nicht als letztes gereiht) dennoch A implementiert.

einmal gewann A den Losentscheid nach Punktgleichheit mit B (siehe 2. Punkt unten)

Perioden, in denen B gewann:

in 1 von 4 Fällen reihten alle Spieler nach den wahren Präferenzen

in 3 von 4 Fällen waren A und B punktegleich und B gewann den Losentscheid, dabei reihen alle Spieler mit Ausnahme eines m-Typen (der A,C,B reiht) wahrheitsgetreu.

Zusammenfassung

Nimmt man die einfache Verhaltensregel des Abstimmens gemäß der wahren Präferenzen als Ausgangspunkt, eröffnete die spezielle Gestaltung des beschriebenen Abstimmungsspieles für die m-Typen recht leicht eine Möglichkeit, durch Misrepräsentation ihrer Präferenzen ein besseres Ergebnis zu erzielen. Natürlich sollten dann die n-Typen solches Verhalten antizipieren, und ihre Abstimmung überdenken.

Das vorliegende Spiel bietet deutliche Anreize zu strategischem Verhalten. Im Experiment wurde beobachtet, daß die m-Typen in 2 der 4 Gruppen sich erfolgreich koordinierten und massiv von dieser strategischen Variante Gebrauch machten. Die n-Typen wiederum schienen solches Verhalten weder zu antizipieren, noch lernten sie nach wiederholtem Beobachten, sich auf die Strategie der m-Typen einzustellen. Daß dies eine weitere Stufe strategischen Verhaltens ist und noch mehr Analyse der Situation erfordert, steht ausser Frage.In den beiden anderen Gruppen reihten die m-Typen großteils nach den wahren Präferenzen, jedoch genügte in den meisten Fällen ein 'Fehler' der n-Typen, daß trotz nicht-strategischer die von den m-Typen am meisten präferierte Alternative (zum Nachteil der n-Typen) implementiert wurde. Daher hatten die n-Typen nicht in allen Gruppen überhaupt einen Anreiz, das kompliziertere strategische Varianten durchzudenken.

siehe auch: Folien zum Referat und LIVE Mitschnitte

Photos: © Mirjana Rukavina, licensed under Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs2.0

Text:
Synopsis
Das Wahlexperiment
Der homo oeconomicus
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